Das Teilprojekt untersucht das in historischer Perspektive wohl zentralste Arbeitsmedium der Geisteswissenschaften: Papier. Die Erfindung des Holzschliffpapiers im Jahr 1843, anschließend entwickelte Verfahren zur Gewinnung von Zellstoff sowie die Energie der Dampfmaschine und die Langsiebpapiermaschine führten zur Industrialisierung und Spezifizierung der Papierbranche. Inwiefern diese „Papierflut“ aus günstigem, massenhaft verfügbarem Holz- und Strohschliffpapier sowie neuen veredelten Papiersorten die Arbeit von Geisteswissenschaftler*innen radikal veränderte, soll das Teilprojekt aufzeigen.
Mit Fokus auf die Berliner Geisteswissenschaften lässt sich exemplarisch nachvollziehen, wie sehr die gewandelten stofflichen Voraussetzungen neuartige Publikationsformate und Arbeitspraktiken begünstigten: Geisteswissenschaftler initiierten hier im 19. Jahrhundert langlebige Editionsprojekte, die auf Massen unterschiedlichster Papiere beruhten; um 1900 erprobten Bibliotheken und neue Archive Techniken der Konservierung von Papier; verschiedene Disziplinen nutzten die Vielfalt verfügbarer Papiersorten für Medien der Wissensvermittlung in der akademischen Lehre und an die Öffentlichkeit; um zu Zeiten von Papierknappheit und Krieg ein Studium zu ermöglichen, erfand man Strategien des Einsparens von Papier. Auf welche Weise diese Aktivitäten mit der nationalen Papierwirtschaft und deren Bezug von Holz aus deutschen Wäldern, aber auch aus Skandinavien und Osteuropa verstrickt waren, möchte das Teilprojekt herausarbeiten. Der Großraum Berlins rückt dabei als gleich- zeitiges Zentrum von Wissenschaften, Medienkonzernen, Papierindustrie und Papierprüfung ins Visier. Durch die geografische Ausdehnung der Forschungsunternehmungen geraten überdies internationale Papierbranchen in den Blick; auch die Aufwendung besonderer Papiersorten und die Papierwirtschaft zu Kriegszeiten erweitern das Spektrum an Rohstoffen und deren Provenienzen, denen sich das Teilprojekt widmet.