Das Dissertationsprojekt interessiert sich für das Material Cellulosenitrat und seine Bedeutung für die Wissenschaftshistorie der Geisteswissenschaften. Im Zentrum der Untersuchung stehen Kollodium und Zelluloid, beides Produkte aus Cellulosenitrat, die als materielle Ressourcen die Entwicklung unterschiedlicher Medientechnologien wie fotografische Verfahren oder die Kinematographie ermöglichten. Im Rahmen von Fallstudien blickt das Projekt auf geisteswissenschaftliche Arbeitspraktiken, wie archäologische Fotografie mittels Kollodium-Nassplatten-Verfahren oder die Produktion von kulturhistorischen Lehrfilmen. Von Interesse sind dabei einerseits die Arbeits- und Nutzungspraktiken von Geisteswissenschaftler*innen im Umgang mit den betreffenden Materialien. So soll gezeigt werden, inwiefern sich die Materialeigenschaften von Kollodium und Zelluloid in Produktion, Transfer und Speicherung von geisteswissenschaftlichem Wissen eingeschrieben haben. Andererseits blickt das Forschungsvorhaben auf Rohstoffe wie Baumwolle, Salpeter und Campher, aus denen die Arbeitsmedien aus Cellulosenitrat hergestellt wurden. Über die Gewinnung, den Transport und die Verarbeitung verfolgt das Teilprojekt diese Rohstoffe entlang der ökologischen, ökonomischen und industriellen Zusammenhänge, innerhalb der die Rohstoffe zu Medien des Wissens transformiert wurden. Diese komplexen Netzwerke der Extraktion, Aneignung, Transformation und Verarbeitung von Rohstoffen werden dabei als immaterielle Ressourcen begriffen, die für die Episteme der Geisteswissenschaften, so die These, von großer Bedeutung waren. Ziel des Projektes ist es die medialen Praktiken der Geisteswissenschaften sowie die Entstehung geisteswissenschaftlicher Disziplinen entlang der Materialhistorie des Cellulosenitrats als Teil von globalen (ökologischen und ökonomischen) Netzwerken sowie politischen Machtgefügen zu identifizieren.